Verheiratete Ehegatten, die nicht dauern getrennt leben, haben gem. §26 EStG den Anspruch eine Zusammenveranlagung vorzunehmen. Auf das Einkommen wird der sog. Splitting-Tarif abgewendet. Bei diesem Tarif wird das Einkommen der Eheleute halbiert (gesplittet). Das Einkommen von Ehegatten wird damit nur zur Hälfte besteuert vergleichsweise zum Einkommen eines Unverheirateten.
Aktuell streitet sich die Regierung noch immer um das Thema, ob auch die gleichgeschlechtlichen Lebenspartner (Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen), die rechtlich wie Ehegatten behandelt werden, auch im Steuerrecht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und damit die Anwendung des Splittingtarifes bekommen können. Eine positive Änderung und damit Anwendung wird im Jahressteuergesetz 2013 erwartet. Nun versucht eine weitere Personengruppe auch die Anwendung des Splittingtarifes zu bekommen.
Der Ehemann der Frau W. ist auf tragische Weise im Jahr 2009 verstorben. Er hinterlässt weiterhin zwei minderjährige Kinder. Frau W. wird nun ab dem Jahr 2011 als Alleinerziehende nach der Grundtabelle besteuert. Sie macht im Verfahren geltend, dass die Besteuerung als Alleinerziehende verfassungswidrig sei. Gegenüber einem zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehepaar (mit oder ohne Kinder) und gegenüber einem geschiedenen Ehepaar, das ein Real-Splitting in Anspruch nehme, zahle sie bei gleich hohen Einkünften mehrere tausend Euro mehr Einkommensteuer. Im AdV-Verfahren nahm nun das FG Niedersachsen zu der Ansicht von Frau W.
Stellung: „Die derzeitige Besteuerung nach der Grundtabelle sei nicht verfassungswidrig. Auch wenn die von einer Alleinerziehenden erzielten Einkünfte gleich hoch seien wie die zusammengerechneten Einkünfte eines Ehepaares und ein Alleinerziehende(r) mehrere tausend Euro mehr Einkommensteuer als das zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehepaar zu zahlen habe, liege kein verfassungswidriger Begünstigungsausschluss vor. Es handele sich um unterschiedliche Sachverhalte, die die steuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigten. Auch eine nach neuerer Rechtsprechung der Finanzgerichte denkbare bzw. verfassungsrechtlich gebotene Anwendung des Splitting-Verfahrens auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft führe nicht zu einem vergleichbaren Anspruch eines Alleinerziehenden.
Das Ehegatten-Splitting gewährleiste die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute zur Gestaltung ihrer ehelichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse und sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern verfassungsrechtlich geboten. Es diskriminiere nicht die Ehefrau bzw. den Partner mit dem niedrigeren Einkommen. Niedrigere Erwerbstätigkeitsquoten und niedrigere Durchschnittseinkommen von Frauen seien nicht Folge des Splitting-Verfahrens, sondern durch die wirtschaftlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt und die individuell aus vielfältigen Gründen getroffenen persönlichen Entscheidungen bedingt. Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, in systematisch unterschiedlicher Weise die Freiheit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgestaltung einerseits durch das Wahlrecht für die Zusammenveranlagung (mit Splitting-Verfahren) und die Kind bedingten Belastungen andererseits durch die Gewährung von Kindergeld bzw. den Abzug von Kinderfreibeträgen und nicht im Wege eines Familiensplittings zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung seien nicht die Gerichte, sondern der Gesetzgeber dazu berufen, diese Regelungen zu überprüfen und ggf. zu ändern (NFG 7 V 4/12).
– Presseinformation vom 14.09.2012 des Niedersächsischen Finanzgerichtes –
Hinweis der Kanzlei Kastl (M.A.) & Kollegen:
Der Versuch der Antragstellerin ist bereits im AdV-Verfahren (Verfahren über die Frage der Aussetzung der Vollziehung) gescheitert. Nach Ansicht des FG Niedersachsen haben Alleinerziehende keinen Anspruch auf den Splitting-tarif. Sie werden, trotz der privaten und finanziellen Mehrbelastung und dem persönlichen Schicksal, der zu dieser Situation geführt hat, nicht einer verheirateten Familie gleichgestellt. Das NFG hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Das Verfahren ist unter dem Az. III B 68/12 beim Bundesfinanzhof anhängig. Wir werden für Sie das Verfahren weiter beobachten.
Steuerberater Patrick Lerbs
www.kastl-kollegen.de